Dienstag, 6. Dezember 2016

Die Zerbrechlichkeit von Dingen im Alltag

Ministerium für Fragilitätsforschung

Rohe Eier fallen auf den Boden, eine Rasierschaumdose wird vollständig geleert und Murmeln werden in den Mund gestopft, um sie danach wieder auszuspucken.
Mithilfe von Performance erfahren, wie die Dinge wirklich beschaffen sind – das ist die Aufgabe des Ministeriums für Fragilitätsforschung. Sie untersuchen das Zerbrechliche in allem, betrachten die Momente, wenn Dinge kaputtgehen und erfahren dabei, dass auch eigene Grenzen nicht immer stabil sind. Fragilität, die Zerbrechlichkeit, findet sich eigentlich in jedem Alltagsgegenstand. Kursleiter Marcel leitet seinen Teilnehmer an, diese Zerbrechlichkeit wahrzunehmen. Gleichzeitig will er weg kommen von der negativen Konnotation des „zerbrechlichen“. Denn steckt nicht auch eine Hoffnung, ein Wunsch auf Neubeginn oder Veränderung in jedem fragilen Objekt?


Performance wird von einem Teil der Öffentlichkeit gerne belächelt – als sinnfrei oder selbstzerstörerisch. Aber genau das ist es nicht. Der Workshopleiter möchte die Zuschauer von diesem Gedanken wegbringen und fordert auf, die Intention der Performance zu hinterfragen.
 Ein Beispiel: Eine Performerin drapiert zwei Blätterkreise auf den Boden und verbindet beide mit ihrem Körper als Brücke. Daneben steht ein Wasserkocher. Was für den Außenstehenden erstmal merkwürdig wirkt, hat den Hintergrund des Spannungsaufbaus und des Sammelns von Körpererfahrung. Der Wasserkocher führt, zunehmend brodelnd und mit stetig steigender Geräuschkulisse, zu einer stetig wachsenden Ruhelosigkeit. Wohingegen das Aushalten, 5 Minuten als Brücke stehen zu bleiben, zwar Anstrengung, Anspannung und Ausdauer bedeutet, gleichzeitig aber ein Moment des Verharrens und in sich hören und Fühlens fördert. Der eigene Körper wird ertastet und Art Körperwissen aufgebaut. 


Marcel versteht sich in seinen Workshops als Impulsgeber. Die Teilnehmer kommen mit einer Idee oder einem Objekt zu ihm und dann können sie das gemeinsam hinterfragen. Gern sendet er Wochenaufträge per SMS. Da fordert er die Teilnehmer zu einer gedanklichen Performance an dem Ort auf, an dem sie sich gerade befinden. Oder er möchte fünf Gegenstände auseinandergenommen und untersucht haben. Ein anderes Mal soll ein Eierschalen-Manifest verfasst werden: Ein Ei wird beschriftet, zerstört und dann werden die Innenseiten der Einzelteile wiederum neu beschrieben. Der ministeriale Bannerspruch: „Die größte Fragilität erfahren wir in der Sicht auf die Dinge, wie sie wirklich sind und nicht, wie wir uns sie vorstellen. Das gibt uns aber auch gleichzeitig den größten Halt, um dann mit dieser Realität umzugehen.“
Dieses Ministerium für Fragilitätsforschung regierte Stellwerkistan im Dezember und Januar. Dabei schufen die Mitarbeiter Ruhezonen innerhalb der Republik, in denen sich so langsam wie möglich bewegt werden soll. Sogenannte Entschleunigungszonen. Deren Intention ist es, einen Moment des Einhaltens zum Erfahren des eigenen Körpers zu nutzen.

Unter der Regierung wird auch der Applaus als nicht-haptisches Objekt fragil. Der wird nämlich ausgesetzt – bis auf weiteres. So kann die Wertvorstellung, alles mit einem Applaus „belohnen“ zu wollen, hinterfragt werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen