Freitag, 10. Februar 2017

Planspiel Staatengründung – ein vorläufiges Fazit

2016/2017: Während des letzten Jahres entstand im Stellwerk die Idee, etwas Neues auszuprobieren,
Grenzen zu testen, ja, sogar zu überschreiten. Man setzte sich zusammen und in mehreren Utopie
Werkstätten kristallisierte sich schließlich sich März 2016 ein Konzept heraus: Ein Planspiel. Das ist
ein pädagogisches Simulationsmodell, das komplexe Themen auf einen kurzen Zeitraum, meist ein
paar Wochen, zusammenfasst. 
Den Jugendlichen reichten ein paar Wochen allerdings nicht. Sie waren motiviert und risikobereit, dies über ein ganzes Jahr austesten. Daher wurde das Projekt mit der Spielzeit des Jugendtheaters verknüpft. So konnten demokratische Prozesse langfristig anschaulich und altersgruppenübergreifend dargestellt und „gefahrlos erprobt“ werden. Dabei sollten Themen aus den Lebenswelten der Workshop- und Kursteilnehmer besprochen und Problemlösungen dazu gemeinsam erarbeitet werden: Tagtäglich trommeln Infos rund um die Flüchtingspolitik, der Umgang mit sozialen Medien, Fernsehbilder und verschiedene Auffassungen zum Essverhalten auf Kinder und Jugendliche ein. Mit einem Planspiel sollte eine Plattform geschaffen werden, auf der sie diese Themen diskutieren und so ein Stück weit besser verstehen können. Die Plattform eines Theaters ermöglicht gleichzeitig eine szenische und kreative Darstellungsweise, flankiert von verschiedenen Medienprojekten.
Am 21. August 2016 gründeten sie die Bühnenrepublik Stellwerkistan, mit eigener Hymne, Fahne und Gesetzen. Zusammen konstruierten sie ein funktionierendes Staatsgefüge und schufen damit einen Ort des Frei Seins und vor allem Frei Denkens. Gleichzeitig eröffnet dieser Staat Möglichkeiten, die vorher nicht möglich waren: Eine 16-jährige wird zur Regisseurin, Minderjährige können sich in Regierungsangelegenheiten einmischen oder der Applaus nach Vorstellungen verschwindet.


 Februar 2017: Ein halbes Jahr ist seit der Staatsgründung mittlerweile ins Land gegangen. Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen.
Kathrin ist Staatssekretärin der Regierung. Sie sieht dieses erste Spielzeitjahr als Experimentierphase, um geübt und gefestigt im August 2017 eine zweite Planspiel-Spielzeit zu starten. 
Aus der vergangenen Zeit hat sie mitgenommen, dass Kinder und Jugendliche indirekt über politische Themen sprechen, indem sie dies über Bedürfnisse kommunizieren. Sie sprechen über ihre Wünsche nach einer fairen gerechten Gemeinschaft, Entschleunigung und eine Gleichverteilung sämtlicher Güter in der Gesellschaft. Damit sprechen sie Themen an, die sonst im Politikersprech formuliert werden: Arbeitslosengeld II - Hartz IV, Schuldentilgung und Solidaritätspakt oder Digitale Agenda.
Sie weiß aber auch, dass es Regeln gibt, die nicht umgangen werden können. Das Theater muss finanziell auf festen Füßen bleiben, ein Loch im Boden würde langfristig das Aus bedeuten. Das will Kathrin nicht, und auch keiner der Mitarbeiter oder Workshopteilnehmer. Deswegen gibt es die Rahmenbedingung, dass Spielpläne und Finanzierungsgrundlagen geschaffen werden müssen. Auch Gesetze zum Jugendschutz dürfen nicht umgangen werden.
Auch wünscht sich Kathrin, dass das Konzept Planspiel Staatengründung auf noch mehr Interesse der Eltern stoßen würde. Sie betont, dass sie sich mit ihrer Staatengründung klar differenzieren von Reichsbürgertum und derlei faschistoidem Gedankengut. Hier geht es um Partizipation, Fantasie und Kreativität, nicht Faschismus und dilettantischen Separatismus. 

Für die nächsten Monate sind Symposien und Konferenzen geplant, um das Staatskonzept zu spezifizieren und auch Eindrücke aus der Experimentierphase einzubringen und zu diskutieren. So soll gefestigt in eine „Stellwerkistan leben“-Phase eingeleitet werden. Wunsch und Ziel der Staatssekretärin ist dabei, „dass es uns gelingt, die Chancen und Möglichkeiten zu entdecken. Also die Plattform Stellwerkistan zu nutzen, zu eigen zu machen und selbst zu gestalten.“



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